Presse
Ehrenamtliche sollen professionell helfen
Akademie für Altere in Wiesbaden bildet hessenweit einmalig freiwillige Seniorenbegleiter aus
        Von Sabine Krischke
Die Landeshauptstadt Wiesbaden bietet in Kooperation mit der Akademie für Ältere mit Frühjahr 2001 eine Ausbildung zum "Freiwilligen Seniorenbegleiter" an. In dem hessenweit einmaligen Kurs werden Interessierte nach Vorbild des "Dülmener Modells" qualifiziert. Die ersten Absolventen sind seit Herbst Im Einsatz.
WIESBADEN Liselotte Hatton bekommt regelmäßig Besuch. Vom ambulanten Pflegedienst etwa. Der schaut täglich bei der 68-Jährigen vorbei. Ab und an kommt auch "eine Dame" von der Beratungsstelle für selbstständiges Wohnen im Alter, die sich "um den Papierkram" kümmert. Am meisten freut sich Hatton aber auf Isolde Weichel (50). Die klingelt zwar nur einmal in der Woche an der Tür der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung in der Wiesbadener Innenstadt, "bleibt dafür aber viele Stunden". Und dann wird vor allem gequatscht - "über alles mögliche" - oder auch mal in Hattons Fotokiste gewühlt, die Wolle sortiert oder der Kühlschrank gemeinsam abgetaut. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das Leben ohne Frau Weichel wäre", sagt Hatton, die wegen einer schweren Hüftarthrose auf den Rollstuhl angewiesen ist und kaum noch nach draußen kommt.
Angehörige hat sie keine mehr. "Weichel ist meine wichtigste Kontaktperson, meine Freundin". Und Isolde Weichel ist seit September zudem eine ausgebildete Seniorenbegleiterin mit Zertifikat. Die Versicherungskauffrau absolvierte mit 14 anderen Frauen und Männern einen sechsmonatigen Kurs, den die städtische Altenarbeit in Kooperation mit der Wiesbadener Akademie für Ältere seit Frühjahr 2001 anbietet.
Sinn der in Hessen bislang einmaligen Ausbildung ist es, "die ehrenamtliche 
        Arbeit professioneller zu machen und den Helfern das nötige Handwerkszeug 
        zu vermitteln" sagt Akademie-Geschäftsführerin Renate Menning. 
        Oft wüssten Menschen, die sich um Senioren freiwillig kümmern, 
        nicht so recht, wie sie sich verhalten sollen, was in diesem oder jenen 
        Fall zu tun ist. "Sie fühlen sich dann überfordert und 
        brechen schlimmstenfalls den Kontakt ab." 
        Die Ausbildung, die an ein 1999 von der Familienbildungsstätte Dülmen 
        (Nordrhein-Westfalen) entwickeltes Modellprojekt anknüpft, solle 
        Sicherheit geben. Und dazu beitragen dass alte Menschen so lange wie möglich 
        daheim leben können, "ohne zu vereinsamen". Schwerpunkt 
        des Kurses, der 45 Theorie- und 30 Praxisstunden in Beratungsstellen, 
        geriatrischen Kliniken oder der offenen Altenarbeit umfasst, liege auf 
        der Gesprächsführung, "vor allem dem Zuhören lernen." 
        Zudem werden medizinische, pflegerische und juristische Kenntnisse vermittelt 
        oder etwa Gedächtnistrainings- oder Bewegungsspiele vorgestellt. 
        Referenten sind neben der Projektleiterin und Psychologin Cathrin Otto, 
        Experten der Beratungsstellen oder geriatrischen Kliniken. Finanziert 
        wird die Ausbildung teils von der Stadt, die 5000 Mark pro Kurs zuschießt, 
        sowie über die Kursgebühr von 120 Mark.
        Das Interesse an der neuen Ausbildung, die gerade mit dem Altenhilfepreis 
        Hessen-Thüringen der Sparkassenstiftung ausgezeichnet wurde, ist 
        laut Menning groß. 16 Frauen und Männer haben sich für 
        den zweiten Kurs angemeldet, der im Oktober begonnen hat. Manche Teilnehmer 
        betreuen bereits seit längerem Senioren oder Angehörige, andere 
        wollen damit nach dem Kurs beginnen. Vermittelt werden die ausgebildeten 
        Seniorenbegleiter, wenn gewünscht, im Anschluss von den städtischen 
        Beratungsstellen für selbstständiges Wohnen im Alter.
 Isolde Weichel bat der "gut gemachte" Kurs jedenfalls was 
        gebracht, obwohl sie schon recht erfahren in Sachen Seniorenbegleitung 
        ist. Lieselotte Hatton besucht Weichel etwa schon seit eineinhalb Jahren 
        regelmäßig. Nicht wegen der "Ehre" des Amtes, "sondern 
        weil ich mit einem Bürojob meine Brötchen verdiene, mir soziale 
        Tätigkeiten aber viel mehr Spaß machen".
        Was Gesprächsführung anbelangt, habe der Kurs ihr zwar "nichts 
        Neues" enthüllt, "aber über Alterskrankheiten wie 
        Alzheimer, Gedächtnistraining oder Rechtsdinge wusste ich vorher 
        wenig". Besonders hilfreich findet die 
        "Seniorenbegleiterin", dass nach Anschluss des Kurses einmal 
        im Monat Supervisionsgruppen angeboten werden, "wo man sich austauschen 
        kann".
Der nächste Kurs' "Freiwillige Seniorenbegleiter" startet Anfang April 2002. Infos bei der Akademie für Ältere in Wiesbaden: 0611 9889-141.